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Spekulatives Angebot

Was sagt der BGH zum Thema "Spekulatives Angebot"?

Das Gewinnen von Wettbewerbsvorteilen durch spekulatives Verhalten bei der Angebotserstellung ist in der Branche weit verbreitet. Geht die Spekulation auf, verbessert sich die Erlössituation des Auftragnehmers.

In einem durch alle Instanzen gegangenen Rechtsstreit hatte ein Bieter bei einer öffentlichen Ausschreibung für Auf- und Abbau sowie dreimonatige Vorhaltung eines Gerüsts für eine Ufermauer einen Preis von 68.878,45 Euro angeboten. In einer Folgeposition hatte er die Vorhaltekosten für das Gerüst für eine Woche verlängerte Standzeit zu 12.678,00 Euro angeboten. Er war u. a. deswegen mit seinem Angebot ausgeschlossen worden, weil die Wahrscheinlichkeit eines Hochwassers – mit dementsprechend längerer Gerüstvorhaltung – vom Auftraggeber als hoch eingeschätzt wurde. Sein Angebot wäre bei 2 Wochen Hochwasser teurer gewesen als das des Zweitbietenden.

Der BGH hat in einem Urteil (Az. X ZR 100/16 vom 19.06.2018) entschieden, dass der Auftragnehmer begründet ausgeschieden worden war:

"Es ist auch nicht von vornherein in jedem Fall anstößig, wenn ein Bieter Unschärfen des Leistungsverzeichnisses bei den Mengenansätzen erkennt und durch entsprechende Kalkulation Vorteile zu erringen sucht, sondern Sache und Risiko des Auftraggebers, solche Spielräume zum Nachteil der öffentlichen Hand im Leistungsverzeichnis auszuschließen. Dies findet im Vergabewettbewerb aber mit Blick auf dessen Zweck, das günstigste Angebot hervorzubringen, und die Rüsichtnahmepflichten aus § 241 Abs. 2 BGB (BGH, Urteil vom 9. Juni 2011 - X ZR 143/10, BGHZ 190, 89 - Rettungsdienstleistungen II) nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) seine Grenzen dort, wo ein Bieter die Ausgestaltung des Leistungsverzeichnisses zu unredlicher Spekulation ausnutzt. Ein Angebot, das spekulativ so ausgestaltet ist, dass dem Auftraggeber bei Eintritt bestimmter, zumindest nicht gänzlich fernliegender Umstände erhebliche Übervorteilungen drohen, ist nicht zuschlagsfähig. Vielmehr verletzt der betreffende Bieter seine Pflichten aus § 241 Abs. 2 BGB, wenn er für eine Position, bei der in der Ausführung nicht unerhebliche Mehrmengen anfallen können, einen Preis ansetzt, der so überhöhte Nachforderungen nach sich ziehen kann, dass aus Sicht eines verständigen Teilnehmers am Vergabeverfahren das Ziel verfehlt wird, im Wettbewerb das günstigste Angebot hervorzubringen, und dem zu einem verantwortungsvollen Einsatz der Haushaltsmittel verpflichteten Auftraggeber nicht mehr zugemutet werden kann, sich auf ein derartiges Angebot einzulassen. Der Bieter kann sich nämlich auf diese Weise bei der Wertung nach dem Preis einen geringfügigen, aber gegebenenfalls für die Rangfolge der Angebote ausschlaggebenden Vorteil verschaffen, der mit der Chance eines deutlich erheblicheren wirtschaftlichen Nachteils für den Auftraggeber bei der Abrechnung des Auftrags verbunden ist. In einem solchen Fall ist der Auftraggeber nicht zur Zuschlagserteilung verpflichtet, auch wenn das fragliche Angebot formal-rechnerisch als das preiswerteste erscheint."

Immerhin: Der BGH weist den ausschreibenden öffentlichen Auftraggeber darauf hin, dass er ja durch entsprechende Gestaltung der Ausschreibung ein solches (spekulatives) Bieterverhalten hätte ausschließen können – nämlich durch Vermeidung von "Unschärfen des Leistungsverzeichnisses".

Das vollständige Urteil des BGH X ZR 100/16 können Sie hier herunterladen.