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Wagnis und Gewinn

Welche Probleme sind mit dem gemeinsamen Zuschlag für Wagnis und Gewinn verbunden?

Es ist bauübliche kalkulatorische Praxis, am Ende der Bezuschlagungskaskade einen gemeinsamen Zuschlag für "Wagnis und Gewinn” vorzunehmen. Aus der Tatsache, dass ein gemeinsamer und zahlenmäßig nicht differenzierter Zuschlag vorgenommen wird, könnte leichtfertig geschlussfolgert werden, dass es auch keine Unterscheidungsmöglichkeit oder Unterscheidungsnotwendigkeit zwischen den beiden Begriffen gäbe. Dies ist aber unzutreffend.

Festzuhalten ist zunächst einmal, dass es sich weder bei "Wagnis” noch bei "Gewinn” um Aufwendungen oder Kosten handelt. Bei planmäßigem Verlauf der Abwicklung eines Bauauftrages – einschließlich geänderter und zusätzlicher Leistungen sowie Mengenmehrungen und -minderungen – ist dies alles belanglos. Der Zuschlag für Wagnis und Gewinn kann undifferenziert angewendet werden.

Anders sieht es jedoch aus, wenn es zu einer Kündigung kommt. Der Bundesgerichtshof hat in einem derartigen Fall (BGH Az. VII ZR 222/96 vom 30.10.1997) entschieden:

"Die von ihm [dem Auftragnehmer] aufgestellte Kalkulation des Pauschalpreises enthält lediglich eine Spalte für Herstellungskosten sowie eine Rubrik für Gewinn, wobei sich dieser als Gewinn bezeichnete Betrag ausweislich der vorgelegten Unterlagen jeweils aus "Risiko und Gewinn" untrennbar zusammensetzt. Daran ändert auch der Hinweis des Berufungsgerichts nichts, der Beklagte [Auftragnehmer] verwende das Wort "Gewinn" erkennbar ungenau. Da der Beklagte bis zur Kündigung lediglich Vorbereitungsmaßnahmen getroffen, aber noch keine Teilleistung erbracht hatte, ist der kalkulierte, aber nicht ausgewiesene Risikozuschlag insgesamt erspart und damit abzuziehen (vgl. Kapellmann/Schiffers, Vergütung, Nachträge und Behinderungsfolgen beim Bauvertrag, Bd. 2, 2. Aufl. Rdn. 1357). Es ist nämlich nicht ersichtlich, daß sich hier ein Risiko schon verwirklichen konnte."

Der BGH betrachtete also – zumindest soweit aus diesen Urteil ersichtlich – zum damaligen Zeitpunkt ein nicht eingetretenes Risiko als "ersparte Aufwendung”. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht muss dieser Auffassung deutlich entgegengetreten werden.

Diese Auffassung vertritt auch Schulze-Hagen in seinem Praxishinweis (IBR 1998, S. 50):

"Damit hat der BGH die sich in der Praxis immer wieder stellende Frage beantwortet, ob der Unternehmer im Falle der freien Kündigung den Risikozuschlag für Wagnis behalten darf. Seine Antwort lautet: nein. Dazu seien Fragen erlaubt. Man kann darüber streiten, ob das kalkulierte Wagnis zu den Aufwendungen bzw. Kosten gehört und im Falle der Kündigung erspart wird. Denn einerseits wird Wagnis im Sinne der Kalkulation "Wagnis und Gewinn" nicht projektbezogen kalkuliert. Es handelt sich vielmehr um den Versuch, das allgemeine Unternehmerrisiko kalkulatorisch einigermaßen zu erfassen. Das nicht realisierte Wagnis ist nichts anderes als Gewinn. Er stellt keine Kosten bzw. Aufwendungen dar, mit denen der Unternehmer bei Durchführung des konkreten Bauvorhabens rechnet. In diesem Sinne handelt es sich wohl nicht um ersparte Aufwendungen bzw. Kosten im Sinne von § 649 BGB. Nach meiner Meinung muß sich der Unternehmer das kalkulierte Wagnis genausowenig anrechnen lassen wie den kalkulierten Gewinn (ebenso Kapellmann, in: Jahrbuch Baurecht 1998,63). Künftig wird man bei der Gewinnkalkulation auf den Begriff "Wagnis" besser verzichten."

Diesem Praxishinweis war damals nichts hinzuzufügen. Es war die Frage erlaubt: Ist es nicht gerade ein beachtliches unternehmerisches Wagnis, das sich realisiert, wenn kurz vor Beginn der Ausführung eines Bauvertrags dieser "frei" gekündigt wird?

Die Anregung, auf den Begriff "Wagnis" besser zu verzichten, konnte angesichts der unglücklichen höchstrichterlichen Entscheidung nur unterstrichen werden. Allerdings war es damit nicht getan, wie nachfolgend zu sehen sein wird.

Das Vergabehandbuch des Bundes (VHB 2008), dort "Leitfaden zur Vergütung bei Nachträgen", enthielt in einer Beispielrechnung folgende Aussage:

"Bei beiden Ausgleichsberechnungen ist davon ausgegangen worden, dass sich der Zuschlag für Wagnis + Gewinn gleichmäßig auf beide Kostenfaktoren aufteilt, d. h. 50% Wagnis und 50% Gewinn. Sofern der Auftragsnehmer eine andere Aufteilung nachweist, ist diese zu berücksichtigen."

Eine derartige Unterstellung, nämlich mangels weiteren Nachweises von einer 50/50-Aufteilung auszugehen, war dreist, eines öffentlichen Auftraggebers nicht würdig und  rechtlich nicht haltbar.

Dem für einen öffentlichen Auftrag bietenden Unternehmer, der Formblätter 221 oder 222 auszufüllen hat, war dringend anzuraten, dort explizit für Wagnis 0 % auszuweisen, um nicht z. B. bei einer Mehr-/Mindermengenausgleichsrechnung durch eine Unterstellung gemäß "Leitfaden" seines Gewinnanteils zur Hälfte verlustig zu gehen.

Das Vorstehende ist allerdings inzwischen Historie.

Der BGH hat in seinem Urteil vom 24.03.2016 (Az. VII ZR 201/15) zum Wagnis festgestellt, dass die Auslegung eines Vertrages der öffentlichen Hand unter Verwendung des Formblatts 221 (VHB 2008) ergibt, dass dort nur allgemein unternehmensbezogenes Wagnis als eine Art Zulage erwähnt ist. Positionsbezogenes Wagnis, das zusammen mit einem Entfall der Position wegfallen kann und dann als ersparte Aufwendung abgezogen werden müsste, ist dort nicht vorgesehen.
Das allgemeine unternehmensbezogene Wagnis fällt aber z. B. nach Kündigung nicht als ersparte Aufwendung weg, ebenso wenig wie Gewinn und AGK. Gewinn und AGK, die nicht projektbezogen anfallen, sind nicht erspart.

Und insofern bemerkenswert:
Soweit der Entscheidung des BGH vom 30.10.1997 (Az. VII ZR 222/96, siehe oben) diesbezüglich etwas anderes entnommen werden könnte, hält der BGH daran nicht fest.

Diese BGH-Entschediung vom 24.03.2016 hat das Ministerium zum Anlass genommen, im VHB 2017 das Formblatt 221 entscheidend zu seinem vermeintlichen Vorteil zu ändern.

Seit der Ausgabe 2017 des VHB wird für Wagnis und Gewinn eine aufgegliederte Angabe gefordert: Die Zuschläge für Gewinn einerseits und Wagnis andererseits sind getrennt auszuweisen; der Zuschlag für Wagnis ist außerdem zu trennen in den Zuschlag für "betriebsbezogenes Wagnis" (Wagnis für das allgemeine Unternehmensrisiko) und für "leistungsbezogenes Wagnis" (mit der Ausführung der Leistungen verbundenes Wagnis).

Wichtiger Hinweis:
Bei Kündigung des Vertrages sowie bei Mindermengen im Sinne der VOB/B § 2 Abs. 3 argumentiert das VHB, dass in diesen Fällen für die nicht erbrachte Leistung (aus Kündigung oder aus positionsweiser Mengenunterschreitung unter 90 % der LV-Menge) kein leistungsbezogenes Wagnis angefallen sei, dieser Zuschlag also erspart worden sei.
Dem AN muss deswegen angeraten werden werden, in Zeile 2.3.3 des Formblatts 221 einen sehr geringen Zuschlag für "leistungsbezogenes Wagnis" anzugeben, am besten sogar 0,00 %. Es steht dem Bieter nämlich frei, sein "leistungsbezogenes Wagnis" direkt in den Leistungs- und Kostenansätzen jeder LV-Position zu berücksichtigen (Kalkulationsfreiheit).